Da ist Power drin!
Aktuell treten Energieversorger hauptsächlich in Erscheinung, wenn es um das Stichwort Energiewandel in der öffentlichen politischen Diskussion geht. Sonst findet sich kaum eine Schlagzeile zu Unternehmen, die täglich -zig Millionen Kunden mit Strom, Gas oder Öl versorgen. Das könnte daran liegen, dass viele Kernprozesse der EVU überwiegend von zuverlässigen Partnern ausgeführt werden: Von Call Center-Dienstleistern.
Das Verhalten von Verbrauchern hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt — für Kunden von Strom-, Gas- oder Erdöllieferanten besonders durch die Liberalisierung der Energiemärkte Ende der 90er Jahre.
Hatte man zuvor bei der Wahl seiner Energieversorger keine — oder nur sehr eingeschränkte Wahlmöglichkeiten, offerieren Internetportale heute auf Knopfdruck hunderte Alternativen. Transparenz und Wettbewerb haben deutlich zugenommen, und auch der Kundenservice ist deutlich besser geworden: Wer Anfang der 90er seinen Energieversorger anrief, konnte das „selbstverständlich“ nur zu den Geschäftszeiten Montag bis Freitag und wurde statt als zahlender Kunde meist nur als Bittsteller behandelt.
Einen großen Anteil daran, dass dieses Geschäft trotz immensen Wettbewerbs seit Jahren so „geräuschfrei“ verläuft — ohne Negativ-Schlagzeilen zu Kundenservice-Erlebnissen — haben Call Center-Dienstleister: Seit der Liberalisierung der Energiemärkte bedienen sich viele Energielieferanten lieber deren Dienste, anstatt eigene Kundenserviceeinheiten aufzubauen. Oder sie gründeten Tochtergesellschaften, die auch für Mitbewerber Dienste erbringen, wie beispielsweise die Regiocom, eine 50-Prozent-Tochter der Eon Avacon.
Tief in Prozesskette verankert
Der Aufgabenbereich den Dienstleister für EVU dabei heute übernehmen, ist an Vielfältigkeit kaum zu überbieten. „Wir unterstützen den Außendienst von Energieversorgern bei der Terminplanung und sind auf Kaltakquise im B2B-Bereich spezialisiert“, erklärt beispielsweise Ralph Kreuzer, Geschäftsführer der Kölner Kcc. Ute Will-Ellinghaus Geschäftsführerin der Tema Marketing informiert: „Wir erledigen den First-Level-Support im Kundencenter zu allen eingehenden Kundenanfragen, wie zum Beispiel zu Leistungen, Produkten, Vertragsänderungen, Reklamationen oder Servicefragen“, zum Portfolio des Mannheimer Dienstleisters.
Noch tiefer in der Prozesskette ihrer Auftraggeber sind Unternehmen wie beispielsweise Communigate, lnvitel, Regiocom, Snt oder Tms Connected verwoben, die auch den 2nd-Level-Support und mehr übernehmen. „Im 2nd-Level übernehmen wir im Namen unserer Auftraggeber zum Beispiel den Lieferantenwechsel, das Beschwerdemanagement und Rechnungskorrektur“ erklärt Communigate-Geschäftsführer Claus Zimmermann und führt aus: „Des Weiteren gehört die Neukundengewinnung im B2B, von der Leadgenerierung bis zum Abschluss am Telefon, zu unserem Aufgabenspektrum.“ 0der, wie Harry Wasserman, CEO von Snt es auf den Punkt bringt: „Wir übernehmen für Energieversorgungsunternehmen die komplete Bandbreite — von der Kundenberatung bis hin zum Backoffice.“ Und das schließe auch die Beratung bei der Wahl es richtigen Stromtarifs oder die schriftliche Bearbeitung von Kundenanfragen ein.
Große Verantwortung
Dienstleister wie Invitel, Regiocom oder Tms Connected verfügen über besonders ausgeprägte Erfahrungen im EVU-Markt, denn alle drei Unternehmen sind schon seit Ende der 90er dort tätig. „Wir betreuen auch die ‘Netzseite‘ der Anbieter, wo es um Abrechnungen und Backofflce-Prozesse geht“ ergänzt Alfons Humburger, Geschäftsführer bei Tms Connected das Angebot des Mannheimer Dienstleisters, das über die ohnehin „komplette Bestandskundenbetreuung“ hinausgeht. Klemens Gutmann, Geschäftsführer der in Helmstedt ansässigen Regiocom erklärt: „Wir übernehmen auch zahlreiche netzbezogenen Aufgaben wie Messstellen-Betreiberschaft, Zählerfernauslesung, Installationsmanagement, Energiedatenmanagement, Einspeiserabrechnung oder das Konzessionsabgabenmanagement.
Was diese Aussagen sicherlich sehr anschaulich darstelle: Manche Contact Center-Dienstleister decken heute nahezu alle Kernprozesse für EVU ab. Und mancher Energieversorger beschränkt sich so quasi „nur noch“ auf das Produzieren oder Ein- und Weiterverkaufen von Energie. AIles andere überlässt er seinen Partnern. „Viele EVUs fordern ein komplettes Servicepaket“ ergänzt Claus Zimmermann, „das heißt, wir analysieren die Prozesse, erstellen Prozessabläufe und Schulungsunterlagen, bauen das Qualitätsmanagement auf und sind verantwortlich für die Einhaltung von Servicelevel und Erreichbarkeit. Hier wird also der komplette Kundenservice ausgelagert.“
Das setzt eine Menge Vertrauen oder Verantwortungsbereitschaft voraus — je nach dem, von welcher Seite aus man es betrachtet. Auf Seiten der Auftraggeber wird aber immer vorausgesetzt: Exzellentes Knowhow und Flexibilität. Burkhard Rieck, Geschäftsführer der Invitel dazu: „In der Energieversorgung gibt es eine sehr hohe Prozesskomplexität, die einfacher zu erlernen und zu vermitteln ist, wenn das entsprechende Knowhow über Jahre gewachsen ist.“ Alfons Humburger dazu: „Die Hauptanforderung unserer Auftraggeber ist die nach sehr hoher Qualität. Knowhow wird nicht nur im oberflächlichen Sinne der Aufgabenstellungen und der Prozesse eingefordert, beispielsweise in der Unterscheidung der Energiearten Strom, Wasser und Gas. Sondern vor allem tiefergehendes Knowhow wie man es etwa zur Bedienung von SAP-System der Kunden mit dem entsprechenden Wissen für dessen Prozesse benötigt.“
Hohe Flexibilität gefordert
Eine ganz andere Besonderheit des EVU-Marktes erklärt Claus Zimmermann so: „Im Vergleich zu anderen Branchen gibt es bei den EVUs höhere Schwankungsbreiten im Call-Eingang. Hier müssen an Spitzentagen Steigerungen von bis zu 100 Prozent abgefangen werden!“ Harry Wasserman fügt ein: „Insbesondere die Möglichkeit, sehr schnell bei Bedarf die Betreuungskapazität zu bestimmten Zeiten nach oben zu skalieren, wird immer wichtiger. Bei Strompreiserhöhungen stehen die Telefone nicht still, da explodiert das Anrufvolumen!“
Um bei Schwankungen vereinbarte Service-Level einzuhalten zu können, Erreichbarkeit und Qualität gewährleisten zu können, setzen Dienstleister auf konsequenten Knowhow-Aufbau: „Deswegen haben wir einen eigenen Trainerstab der dafür sorgt, dass das Wissen in diesem Bereich immer aktuell ist“, so Claus Zimmermann. Alfons Humburger: „Wir reagieren darauf, indem wir unsere Mitarbeiter frühzeitig selbst rekrutieren und ausbilden, oder vorhandene neu schulen. Wir führen auch Trainings selbst durch — haben also auch hier die Kapazitäten vor Ort.“ Was letztlich auch dazu führe, dass man seinen Kunden „fertig ausgebildete Energieberater“ zur Verfügung stellen könne.
Burkhard Rieck fasst die Entwicklung der letzten Jahre so zusammen: „Unsere Auftraggeber haben die Entwicklungen in der Kommunikationsbranche über die Jahre hinweg mitgemacht und sind mit jedem Jahr fordernder geworden — bei zunächst rückläufigen und sich jetzt stabilisierenden Preisen.“ Heute stiegen, so Rieck, die Anforderungen im qualitativen Bereich noch einmal deutlich an, da Geschäftsvorfälle komplexer geworden und EVU ihrerseits an Preisuntergrenzen angekommen seien. Rieck: „Die Produkte der EVU sind nahezu identisch, über Preise lässt sich nicht mehr differenzieren — nun kommt es auch hier auf die Qualität im Service an.“
Mindestlohn ist Diskussionsthema
Der von der Politik verabschiedete Mindestlohn ist für Call Center-Dienstleister eine große Herausforderung, mit der die von TeleTalk befragten Dienstleister im Bereich der EVU jedoch eher gelassen umgehen. Claus Zimmermann von Communigate: „Für uns ist das eher eine Chance, zukünftig ein größeres Potential an Kunden abdecken zu können, die sich auf Grund des großen Preisunterschiedes bisher gegen Qualität und für einen niedrigen Preis entschieden haben.“ „Die Herausforderung liegt eher bei den Auftraggebern, mit den realen Kostensteigerungen umzugehen und in ihre Budgetierung einzubauen“, ergänzt Klemens Gutmann von Regiocom. „Mindestlöhne waren bei Kcc noch nie ein Thema, wir zahlen schon immer einen deutlich höheren Lohn“ entgegnet Ralph Kreuzer.
Auch bei Tema liege man schon seit 2002 über dem heute diskutierten Mindestlohn, so Ute Will-Ellinghaus: „Wir begrüßen es, wenn der Mindestlohn so schnell wie möglich in der Branche umgesetzt wird“. In dieselbe Kerbe schlägt Alfons Humburger von Tms connected: „Wir können es gar nicht abwarten, bis der Mindestlohn endlich umgesetzt wird. Und wir freuen uns darüber, dass die Wettbewerbsverzerrungen dann endlich ein Ende haben werdenl“
„Wir sind auch überzeugt davon, dass der Mindestlohn ein wichtiger Schritt ist. Die Arbeit von Kundenservice-Mitarbeitern verdient einen würdigen Lohn!“ meint Snt—CEO Harry Wasserman, warnt aber: „Das ist nicht einfach und erfordert eine enorme Kostendisziplin, zumal wir aus einer Branche kommen, die sowieso nicht mit üppigen Margen rechnen kann.“ „Die Invitel Unternehmensgruppe war schon beim Aufkommen dieser Diskussion sehr für die Einführung eines Mindestlohnes, insbesondere natürlich, um Wettbewerbsverzerrungen abzuschaffen“ führt Burkhard Rieck aus und prognostiziert: „So, wie es momentan aussieht, wird es für einige Unternehmen sicher schwer werden, die Einführung des Mindestlohnes in acht Monaten, zu überstehen.